Selbstverteidigung ist ein Thema, das viele Menschen beschäftigt – ob für den Notfall, zur allgemeinen Sicherheit oder zur Stärkung des Selbstbewusstseins. Doch in gefährlichen Situationen sind es nicht immer die körperlichen Fähigkeiten, die über Sicherheit oder Eskalation entscheiden. Oft sind es grundlegende Fehler, die dazu führen, dass sich eine Situation verschärft oder eine Fluchtmöglichkeit ungenutzt bleibt.
Viele Selbstverteidigungskurse vermitteln Techniken, die in der Praxis kaum funktionieren oder setzen den Fokus auf die falschen Aspekte. Sicherheitsexperte und Personenschützer Marton Jovanovics erklärt in diesem Beitrag, welche Fehler am häufigsten sind und was stattdessen getan werden sollte, um sich wirklich effektiv zu schützen.
1. Die Gefahr zu spät erkennen
Der größte Fehler in der Selbstverteidigung ist es, eine bedrohliche Situation nicht rechtzeitig zu erkennen. Viele Menschen bemerken Anzeichen für eine drohende Gefahr erst, wenn es zu spät ist. Angreifer nutzen häufig Überraschungseffekte oder beobachten ihr potenzielles Opfer bereits im Vorfeld, um den richtigen Moment für einen Angriff abzupassen.
Wer im Alltag ständig abgelenkt ist, etwa durch das Smartphone oder Kopfhörer, bemerkt Warnsignale oft nicht. Dazu gehören ungewöhnliches Verhalten anderer Menschen, aggressive Körpersprache oder eine plötzliche Veränderung der Umgebung.
Statt sich nur auf Kampftechniken zu verlassen, sollte das Ziel sein, Gefahren frühzeitig wahrzunehmen und potenziell gefährliche Situationen zu vermeiden. Wer achtsam ist und die Umgebung bewusst wahrnimmt, kann in vielen Fällen eine Eskalation verhindern.
2. Den Angreifer unterschätzen oder falsch einschätzen
Ein häufiger Fehler ist es, die Ernsthaftigkeit einer Bedrohung falsch einzuschätzen. Viele Menschen denken, dass sie in einer Gefahrensituation mit Worten alles lösen können oder dass ein Angreifer nicht wirklich ernst macht. Doch in kritischen Momenten ist jede Sekunde entscheidend.
Ein weiteres Problem ist die falsche Erwartungshaltung. Manche glauben, dass sie aus einem kurzen Selbstverteidigungskurs genug Techniken mitnehmen, um einen Angreifer in jedem Fall abzuwehren. In der Realität läuft eine Auseinandersetzung jedoch selten so ab, wie es in einer Trainingssituation geübt wurde.
Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass ein Angreifer oft schneller und rücksichtsloser handelt, als man es erwartet. Die richtige Reaktion ist nicht, sich auf den Kampf einzulassen, sondern in erster Linie, sich der Gefahr zu entziehen. Das bedeutet, Fluchtmöglichkeiten zu nutzen und keine unnötigen Risiken einzugehen.
3. Falsches Vertrauen in ineffektive Techniken
Viele Selbstverteidigungskurse vermitteln Techniken, die unter Stress oder gegen einen körperlich überlegenen Gegner nicht funktionieren. Die Vorstellung, dass man mit einer einzelnen Technik einen Angreifer sofort kampfunfähig machen kann, ist in den meisten Fällen realitätsfern.
Selbstverteidigung sollte sich nicht nur auf Kampfbewegungen beschränken, sondern ein ganzheitliches Konzept umfassen. Dazu gehört die Fähigkeit, Stress zu bewältigen, die Umgebung zu analysieren und alternative Wege der Konfliktlösung zu kennen.
Ein effektiver Selbstverteidigungskurs sollte nicht nur einzelne Techniken beibringen, sondern auch mentale Vorbereitung, taktische Verhaltensweisen und das Verständnis für reale Bedrohungsszenarien vermitteln. Es geht darum, sich so zu verhalten, dass man gar nicht erst in eine gefährliche Situation gerät oder diese so früh wie möglich verlassen kann.
4. Den eigenen Körper und die Grenzen nicht kennen
Viele Menschen überschätzen ihre eigene körperliche Fähigkeit, einen Angriff abzuwehren. Ein untrainierter Mensch kann in einer Stresssituation nicht plötzlich präzise und kraftvolle Techniken ausführen, wenn er sie nur theoretisch kennt. Adrenalin, Angst und Überraschung beeinflussen die Reaktionsfähigkeit erheblich.
Eine realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten ist entscheidend. Wer in Selbstverteidigung geübt ist, weiß, dass es keine perfekten Bewegungen gibt, sondern dass schnelle, einfache und instinktive Reaktionen am besten funktionieren.
Regelmäßiges Training kann helfen, sich besser auf Stresssituationen vorzubereiten. Dabei geht es nicht nur um körperliche Techniken, sondern auch um die mentale Widerstandsfähigkeit. Wer unter Druck einen klaren Kopf bewahrt, hat einen entscheidenden Vorteil.
5. Kampf als erste Lösung sehen
Ein weiterer schwerwiegender Fehler ist es, einen Kampf als erste Lösung zu sehen. Viele glauben, dass Selbstverteidigung bedeutet, einen Angreifer direkt anzugreifen oder zu Boden zu bringen. Doch in der Praxis ist die beste Verteidigung immer, einen Konflikt zu vermeiden oder sich aus einer Situation zu befreien, ohne Gewalt anwenden zu müssen.
Selbstverteidigung beginnt nicht in dem Moment, in dem ein Angriff startet, sondern viel früher – bei der Einschätzung der Situation, der Kommunikation und der Nutzung von Fluchtwegen. Wer sich sicherheitsbewusst verhält und gefährliche Orte oder Konfrontationen vermeidet, setzt sich gar nicht erst der Notwendigkeit aus, kämpfen zu müssen.
Wenn ein Kampf unausweichlich ist, sollte das Ziel nicht sein, den Angreifer „zu besiegen“, sondern sich so schnell wie möglich zu befreien und in Sicherheit zu bringen. Ein einziger unkontrollierter Moment kann das Risiko für Verletzungen drastisch erhöhen.
Fazit
Effektive Selbstverteidigung hat weniger mit perfekten Kampftechniken zu tun als mit der Fähigkeit, Gefahren frühzeitig zu erkennen, richtig einzuschätzen und entsprechend zu handeln.
Die häufigsten Fehler in der Selbstverteidigung entstehen durch mangelnde Aufmerksamkeit, falsche Einschätzung der Bedrohung, übermäßiges Vertrauen in Techniken, fehlendes Training und die Vorstellung, dass Kampf die einzige Lösung ist.
Wer sich wirklich schützen will, sollte lernen, potenzielle Gefahren zu vermeiden, Stressresistenz aufzubauen und einfache, effektive Strategien anzuwenden, um sich im Ernstfall schnell in Sicherheit zu bringen.
Über den Autor
Marton Jovanovics ist Experte für Selbstverteidigung, Personenschutz und Sicherheitsberatung. Als Close Protection Officer und Bodyguard verfügt er über umfassende Erfahrung im Schutz von Personen in Hochrisikogebieten. Er kombiniert Kampfsporttechniken wie Muay Thai mit modernen Sicherheitsstrategien und bietet praxisnahe Trainingsmethoden an. Am 1. Februar 2025 eröffnete er ein neues Trainingszentrum mit modernster Ausstattung. Mit seiner Leidenschaft für Kampfsport und Sicherheit vermittelt er Menschen die Fähigkeiten und das Selbstvertrauen, sich in gefährlichen Situationen zu schützen.
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