Eine bewegende Reise von Carola Weidemann
Es gibt Tage, die verändern einen. Sie graben sich tief ins Herz ein und lassen einen noch lange danach mit einem warmen, leuchtenden Gefühl zurück. Mein Besuch in Mecklenburg-Vorpommern war genau so ein Tag. Ich bin schon lange mit meinen Mini-Ponys unterwegs, ich habe viele berührende Begegnungen erlebt – doch was dort geschah, hat mich selbst sprachlos gemacht. Es war ein Tag voller Tränen, Lachen und unvergesslicher Gänsehaut-Momente.
Schon als ich auf dem Gelände ankam, spürte ich diese besondere Stimmung. Die frische Luft, der weite Himmel, die erwartungsvollen Gesichter der Menschen – viele von ihnen mit bewegenden Geschichten im Gepäck. Meine Ponys standen ruhig neben mir, als wüssten sie genau, dass heute wieder Herzen berührt werden. Und sie sollten recht behalten.
Begegnung 1: Ein Name wie ein leiser Gruß aus der Vergangenheit
Gleich zu Beginn traf ich auf eine ältere Dame, die wir hier Frau R. nennen. Als ich ihren Namen hörte, blieb ich wie erstarrt stehen. Es war derselbe Name wie der meiner Pflegemutter – der Frau, die mir als Kind ein Zuhause voller Wärme und Liebe geschenkt und mir eine starke Grundlage für meine Zukunft mitgegeben hat.
Seit nunmehr 30 Jahren arbeite ich mit Pferden, bilde sie aus und habe viele Jahre erfolgreich in der Dressur verbracht. In dieser Zeit durfte ich unzähligen Menschen das Reiten und den respektvollen Umgang mit Pferden beibringen. Doch seit einigen Jahren schlägt mein Herz besonders für die Ausbildung englischer Mini-Ponys für die tiergestützte Therapie. Mit viel Herz, Geduld, Fachwissen und Verantwortung besuche ich regelmäßig Seniorenheime, Hospize, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen und Kitas. Immer mit dem Ziel, heilende Begegnungen zu ermöglichen. Dabei steht für mich das Tierwohl an erster Stelle, ebenso wie die Kraft stiller Momente, die oft mehr sagen als tausend Worte.
Als ich Frau R. mein Pony an den Rollator hing, geschah etwas Wundervolles. Sie fasste die kleinen Führleinen, machte einen ersten Schritt und das Pony folgte ihr geduldig. Schritt für Schritt, leise Hufe auf dem Kies, ein gleichmäßiger Rhythmus, der Mut schenkte. Nach einigen Metern blieb sie stehen, strich dem Pony über die Mähne und sah mich mit leuchtenden Augen an. Dann kamen die Tränen. „Wenn ich DAS gewusst hätte, dass es sowas gibt…“ Ihre Stimme brach kurz, dann flüsterte sie: „…ich wäre sicher nicht am Rollator gelandet. Ich hätte mich aus meiner Krankheit rausgekämpft!“
Wir hielten uns fest, weinten und lachten – vor Glück, vor Erleichterung, vor purer Menschlichkeit. Dieser Moment war für mich einer der schönsten Beweise, dass meine Arbeit und die meiner Ponys tiefer wirkt, als Worte es je beschreiben könnten.

Begegnung 2: Eine Welle, die ein Leben veränderte
Später kam ich ins Gespräch mit einer Journalistin, die mich auf dem Event begleitete. Sie erzählte mir von ihrem Mann und ihre Worte gingen mir unter die Haut. Vor einigen Jahren waren sie gemeinsam im Urlaub, beide glücklich und unbeschwert im Meer. Eine Welle, wie sie scheinbar harmlos aussieht, kam angerollt. Doch sie traf ihren Mann mit solcher Wucht, dass sie sein Leben veränderte: Sein Knie zertrümmert, sein Rücken verletzt, von einem Moment auf den anderen saß er im Rollstuhl.
Während sie erzählte, sah ich die Traurigkeit in ihren Augen. Seit wenigen Wochen hat ihr Mann nun einen elektrischen Rollstuhl – ein kleines Stück Freiheit in einem Alltag, der von Verlust geprägt ist. Sie beobachtete meine Ponys, wie sie geduldig neben den Menschen standen, wie vorsichtig Kinderhände durch ihr Fell strichen, wie Augen zu leuchten begannen. Und dann sagte sie leise:
„Wenn mein Mann das erleben könnte… vielleicht gäbe es weniger Tage, an denen alles hoffnungslos erscheint.“
In solchen Momenten wird mir klar, dass meine Arbeit so viel größer ist als ein Spaziergang mit Ponys. Sie ist ein Stück Seelenpflege, ein Funke, der selbst in dunklen Zeiten wieder leuchtet.
Begegnung 3: Ein Shetland-Pony rettet eine Familie
Die dritte Geschichte an diesem Tag werde ich nie vergessen. Ein Mann aus der Landwirtschaft kam auf mich zu. Sein Blick war ernst, aber offen. Er erzählte mir, dass er vor einigen Jahren bei der Arbeit unter eine seiner Maschinen geraten war. Seitdem war er querschnittsgelähmt. Die Ärzte sagten, er müsse sich mit diesem Schicksal abfinden. Für ihn bedeutete das: kein Leben mehr. Keine Pferde, keine Arbeit, kein Sinn.
Doch seine Tochter hatte andere Pläne. Sie kannte die Leidenschaft ihres Vaters für Pferde. Und sie weigerte sich, ihn aufzugeben. Also kaufte sie ihm ein kleines Shetland-Pony. Ein winziges Tier mit einem großen Auftrag.
Anfangs wollte er nicht. Doch irgendwann ließ er sich darauf ein. Gemeinsam begannen sie zu trainieren. Erst nur im Hof, dann mit einem kleinen Wagen. Das Pony zog geduldig, Schritt für Schritt und mit jedem Schritt kehrte ein Stück Lebensfreude zurück.
Heute fährt dieser Mann wieder Vierspänner. Er spannt nicht nur das Shetland-Pony an, sondern auch große Pferde. Er fand seine Stärke wieder, seinen Stolz und seine Tochter bekam ihren Papa zurück. Als er mir diese Geschichte erzählte, hatte ich Gänsehaut am ganzen Körper.
„Dieses kleine Pony hat mich zurück ins Leben geholt.“ Seine Stimme bebte, aber seine Augen leuchteten.

Kleine Ponys, große Wirkung
Als ich an diesem Abend mit meinen Ponys nach Hause fuhr, war ich erschöpft – aber mein Herz war voller Dankbarkeit. Jeder dieser Menschen hat mir gezeigt, dass unsere Arbeit so viel mehr ist als ein Hobby oder ein schöner Programmpunkt auf einem Event. Es geht um Hoffnung. Um Berührung. Um Lebensfreude.
Meine Mini-Ponys sind kleine Wunder auf vier Hufen. Sie bringen Menschen zum Lächeln, die lange nicht mehr gelächelt haben. Sie schenken Mut, wo Resignation war. Sie verbinden Herzen – leise, ehrlich und tief.
Und ich wünsche mir, dass noch viele Menschen erfahren dürfen, was an diesem Tag in Mecklenburg-Vorpommern passiert ist: Dass kleine Ponys große Wunder wirken können. Manchmal reicht ein vorsichtiger Schritt neben einem sanften Tier, um zu spüren: Das Leben hat noch so viel Schönes zu geben.
Über die Autorin
Carola Weidemann ist seit über 30 Jahren in der Dressur zu Hause und spezialisiert auf die Ausbildung englischer Miniaturponys für tiergestützte Therapie. Mit viel Herz, Fachwissen und Verantwortung besucht sie regelmäßig Senioreneinrichtungen, Hospize und Kindergärten, um dort heilende Begegnungen zwischen Mensch und Tier zu ermöglichen. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht stets das Tierwohl – und die Kraft stiller Momente.